Stellungnahme des LEA Saarland zum Finanzierungsende des Bundesprogramms „Sprachkitas“

„Sprache ist der Schlüssel zur Integration“ titelte bereits die WISO Diskurs Ausgabe vom November 2010 der Friedrich Ebert Stiftung. Neben Diplom-Pädagogen, Sprachwissenschaftlern, dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, dem Bundesamt für Berufsbildung meldeten sich auch Mitglieder des Bundestags und Bildungsministerien mit der einhelligen Meinung zu Wort, dass Sprache nicht nur ein Schlüssel zur Integration ist, sondern DER Schlüssel.


Und doch kürzt nun der Bund nach über 10 Jahren messbaren Erfolges das Bundesprogramm „Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“. Mit dem Programm förderte das Bundesfamilienministerium „alltagsintegrierte sprachliche Bildung als festen Bestandteil in der Kindertagesbetreuung.“ Dieser feste Bestandteil wurde jedoch nun aller Ankündigungen zum Trotz dem Rotstift zuteil und stimmt alle betroffenen Akteure fassungslos, sieht doch der Koalitionsvertrag vom Dezember 2021 vor, das Programm „Sprach-Kitas“ weiterzuentwickeln. Auch im April war noch im Entwurf zum Bundeshaushaltsplan zu lesen, dass im Rahmen des Maßnahmepaketes „Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“ die Mittel allein für „Sprach-Kitas“ zusätzlich um insgesamt 100 Mio. Euro für die Jahre 2021/2022 erhöht wurden und für 2022 somit insgesamt 248 Mio. Euro für das Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ eingeplant seien.


Nach zwei Jahren maximaler Herausforderungen für Familien, ausgefallener Betreuungen, messbar gestiegener Sprachdefizite bei Kindern, die durch auf Eis gelegte Vorschuluntersuchungen zudem deutlich zu spät auffallen, ausgerechnet ein zentrales Sprachförderprogramm zu kürzen, ist nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie und der Ukraine-Krise nicht nachvollziehbar.
Der Symbolcharakter einer solchen Entscheidung in Zeiten von Fachkräftemangel, signifikant schlechterer Sprachkompetenzen bei Grundschülern und pandemiebedingter, unverhältnismäßiger Belastungen von Familien und Kindern ist erschütternd.


Als Landeselternvertretung der Kitas im Saarland fordern wir ein Fortschreiben des Programmes und die Zusicherung, dass die Strukturen, die durch das Bundesprogramm in den letzten Jahren aufgebaut wurden, nicht einer fragwürdigen Priorisierung der Bundesmittel zum Opfer fallen. Es ist nicht hinnehmbar, dass zum wiederholten Male in den letzten Jahren ausgerechnet die Kleinsten unserer Gesellschaft die Leidtragenden falscher Entscheidungen werden.

Gegendarstellung: Kein Unmut unter Kita-Eltern wegen „Testpflicht“, sondern wegen Ungleichbehandlung von Kindern 

Im SR-Bericht „Unmut unter Kita-Eltern wegen Testpflicht“[1] vom 01.04.2022 wird ein Bild von gegensätzlichen Ansichten bezüglich Testpflicht von Eltern zu GEW und Lehrerverband gezeichnet.

Während der GEW und Lehrerverband als klarer Befürworter der Testpflicht dargestellt wird, wird der Landeselternausschuss als klarer Gegner der Testpflicht dargestellt. Diese entspricht nicht den Tatsachen und ist dem Weglassen relevanter Aussagen geschuldet.

Zum einen existiert in saarländischen Kitas anders als in Schulen keine Testpflicht, sondern ein freiwilliges Testangebot, das von den Eltern gut angenommen wird. Hier wird Frau Teiner vom Landeselternausschuss der Kitas im Saarland (LEA) falsch zitiert.

Zum anderen basiert die Kritik des LEA bezüglich der Testung in Kitas auf der Ungleichbehandlung von Kindern zu Erwachsenen, nicht auf der Ablehnung der Testung als solches. Der LEA folgt den Empfehlungen des Expert:innenrat der Bundesregierung sowie der pädiatrischen Fachverbände, dass Corona-Politik zwingend unter prioritärer Berücksichtigung des Kindeswohles zu erfolgen hat. Dies setzt voraus, dass alle Aspekte der kindlichen Gesundheit berücksichtigt werden und nicht nur die Vermeidung von Corona-Infektionen. Psychische Folgen durch Distanzierung, Quarantänen und isolierende Maßnahmen, sowie unzureichende Teilhabe an vorschul- und schulischer Bildung dürfen nicht geringer gewichtet werden als der Covid-19 Infektionsschutz. Hier gilt es, basierend auf wissenschaftlicher Datenlage genau abzuwägen, wann welche Maßnahmen in welchem Maß angebracht sind und wann nicht. Anlasslose Antigen Testreihen in Schulen und Kitas suggerieren einen Schutz, der de facto allenfalls unzureichend besteht und ziehen eine Kette an Absonderungen mit sich, die angesichts der Fehlerquote der Schnelltests, Wartezeiten bei PCR Auswertung und Entwicklung der Hospitalisierungsrate nicht länger angebracht sind.

Der LEA empfindet es als politisches und gesamtgesellschaftliches Versagen gegenüber Kindern, zum Zeitpunkt des höchsten Infektionsgeschehen seit Pandemiebeginn im Saarland alle Schutzmaßnahmen im alltäglichen Leben abzuschaffen jedoch im Kita- und Schulbereich beizubehalten. Kinder und Jugendliche mit strengeren Maßnahmen zu belegen, als die Gesamtgesellschaft ist eine Ungleichbehandlung, die nicht hinnehmbar ist. Entweder das Infektionsgeschehen ist so bedrohlich, dass Schutzmaßnahmen erforderlich sind, dann müssen diese gesamtgesellschaftlich gelten oder das Infektionsgeschehen ist so weit unter Kontrolle, dass Schutzmaßnahmen nicht länger von Nöten sind, dann dürfen sie jedoch auch nicht mehr an Schulen und Kitas gelten. Alles andere stellt eine Diskriminierung von Kindern und Jugendlichen dar.

Es ist zwingend nötig, als Gesamtgesellschaft dafür zu sorgen, dass den Kindern der bestmögliche Schutz bei bestmöglicher Entwicklungsfreiheit zuteilwird. Die Voraussetzungen dafür ausschließlich auf den Schultern von Kindern und Jugendlichen abzulegen und in der Folge weitere Isolationen, Quarantänen, Fernhaltung von Bildung und sozialer Teilhabe in Kauf zu nehmen, während für den Rest der Gesellschaft keine Einschränkungen, Datenerhebungen und Dokumentation des Pandemiegeschehens mehr gelten, ist nach Ansicht des LEA intolerabel.

Die verkürzte Wiedergabe der Aussagen der Landeselternvertreterin Teiner im oben genannten SR-Artikel ist somit irreführend und bildet die Position der Landeselternvertretung der Kitas nicht korrekt ab.


[1] https://www.sr.de/sr/home/nachrichten/politik_wirtschaft/testpflicht_kitas_schulen_saarland_eltern_unmut_100.html – Stand 01.04.2022

Obergrenze der Betriebserlaubnis zeitweilig aussetzen bereitet Landeselternausschuss der Kitas im Saarland Bauchweh

Saarbrücken, 26.03.2022 – “Dass die Integration von ukrainischen Kindern in Kindertagesstätten schnellstmöglich erfolgen muss, steht außer Frage“, beteuert Nadine Teiner, Delegierte für das Saarland in der Bundeselternvertretung der Kitas und Kindertagespflege (BEVKi) und Beisitzerin des Landeselternausschusses der Kitas im Saarland (LEA) als Reaktion auf die Veröffentlichung der Ergebnisse einer Arbeitsgruppe von Gesundheits- und Bildungsministerium, Kita-Trägern und Wohlfahrtsverbänden[1] am Donnerstag. „Inwieweit es jedoch zweckdienlich ist, mehr Kinder in den Kitas aufzunehmen, als die Betriebserlaubnis vorsieht, sehen wir als Elternvertreter sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene kritisch. Den Betreuungsschlüssel herabzusetzen, steht im maximalen Widerspruch zum wissenschaftlichen Konsens bzgl. Kindeswohl in Kitas und zu dem, wofür wir seit Jahren kämpfen”.

Die Fachkraft-zu-Kind-Ratio im Saarland entspricht bereits jetzt nicht den wissenschaftlichen Empfehlungen. „Die Personalsituation in den Kitas war bereits vorpandemisch bedenklich. Angesichts der letzten zwei Jahre müssen wir klar sagen, dass das Kitapersonal weit über die Belastungsgrenze hinaus gegangen ist und keine Reserven mehr da sind. Der Krankenstand ist enorm, es ist jetzt schon kaum möglich, den Kitabetrieb aufrecht zu erhalten und Einschränkungen der Öffnungszeiten oder Teilschließungen sind an der Tagesordnung“ führt die BEVKi-Delegierte fort. 

Dies führt nicht nur zu großen organisatorischen Schwierigkeiten und zusätzlichen finanziellen Belastungen bei den Erziehungsberechtigten, sondern bedeutet auch zusätzlichen Stress für die Kinder und das Kitapersonal. Stress, der besonders in Bezug auf die spezielle Situation und die Bedarfe von ukrainischen Kindern und Familien tunlichst vermieden werden muss. 

Das Aussetzen der Obergrenze ist zwar auf dem Papier der naheliegendste und am einfachsten umsetzbare Gedanke. In der Realität prallt er aber auf ein System, das bereits seit Monaten bzw. Jahren mit nicht zu lösender Handbremse unter Vollgas einen vollbeladenen Anhänger zieht. 

Dem Ländermonitoring[2] der Bertelsmannstiftung nach fehlen bereits jetzt 1000 Fachkräfte in saarländischen Kitas. Bis 2030 wird gemäß wissenschaftlichen Empfehlungen von 5000 Fachkräften gesprochen. Und dies gänzlich ohne jedwedes infektiologische Geschehen. 

„Wir betrachten das Aussetzen der Obergrenze mit massivem Bauchweh. Wenn wir zu diesem Schritt greifen, dann zwingend zeitlich begrenzt und nur als äußerste Maßnahme parallel zur Entwicklung von Konzepten, wie das Kitapersonal, das sich seit zwei Jahren im Ausnahmezustand befindet, unmittelbar entlastet wird. Denn nur wenn ausreichend Personal zur Verfügung steht, ist auch die Sicherheit und das pädagogische Angebot für Kinder sichergestellt. Das letzte was Kinder und Eltern aktuell brauchen sind weitere Streiks und Personalausfälle aufgrund von nochmal steigender Belastungen”.

Möglichkeiten wie eine solche Entlastung aussehen könnte, sieht der LEA z.B. im Einsatz von Hilfskräften, multiprofessionellen Teams und der Entschlackung von Aufgabengebieten. Hauswirtschaftliche Tätigkeiten sowie Verwaltungsaufgaben dürften nicht länger an pädagogischen Fachkräften hängen bleiben. So könnten z.B. kurzfristig Rahmenbedingungen für sogenannte virtuelle Assistenzen geschaffen werden, die Kitas auf stundenweise bei Verwaltungsaufgaben entlasten, wie es im modernen Unternehmertum längst Usus ist. Dringend nötig seien auch Konzepte, die es ermöglichen, Trainer, Musikpädagogen, Psychologen, Lesepaten, Eltern, Elternvertreter, fremdsprachliche Assistenten, Ehrenamtliche etc. einzubinden oder kurzzeitig einzustellen, ohne vor dem Problem des ungeklärten Versicherungsstatus zu stehen. 

„Wir müssen uns lösen von der Sorge, dass der Einsatz von nicht pädagogischen Kräften die Qualifikation des Fachpersonals abwertet. Der Einsatz solcher Hilfskräfte schafft Freiräume, damit das pädagogische Fachpersonal sich mit dem beschäftigen kann, was seiner Kernkompetenz entspricht: frühkindlicher Pädagogik. Wenn wir endlich mal anfangen würden, in Kitas und Schulen alle zeitfressenden Aufgaben auszugliedern, die nichts mit pädagogischer Arbeit zu tun haben und diese stattdessen von Menschen ausführen ließen, die dafür qualifiziert sind, wäre schon vieles gewonnen“ führt die Delegierte, die selbst Lehramt studiert hat, aus. 

Auch der Ausbau von Kurzzeitbetreuungen, eventuell mit speziellem Fokus auf fremdsprachliche Kinder und alternativen Kinderbetreuungsmöglichkeiten nach dem Beispiel der Homburger „Fleximed Kids“, wo Student:innen sowie Mitarbeiter:innen des Universitätsklinikums und der Universität des Saarlandes ihre Kinder stundenweise betreuen lassen können, sieht der LEA als Möglichkeit. Nicht alle Eltern und Kinder sind zwingend auf einen Ganztagsplatz angewiesen, sondern würden sich bereits deutlich entlastet sehen, wenn sie die Kinder wenigstens stundenweise betreut wüssten. 

„Wir sind alles andere als glücklich darüber, dass wir vom Arbeitstreffen der Ministerien und Kita-Akteure lediglich aus der Presse erfuhren und bei der Entscheidungsfindung nicht mit einbezogen wurden. Das entspricht nicht dem guten Austausch, den wir in den letzten Monaten aufgebaut haben,“ so die Elternvertreterin, „somit konnten wir bislang auch noch nicht in Erfahrung bringen, ob die Aushebelung der Obergrenze der einzige Beschluss in puncto Integration von ukrainischen Kindern in Kitas ist bzw. wie sich die Platzvergabe angesichts bereits bestehender, ellenlanger Wartelisten gestalten soll”.

Dass die Herausforderung der Integration von kriegsgeschädigten und teils traumatisierten Kindern ausgerechnet auf ein präkollaptisches System trifft, ist tragisch und dramatisch. Umso mehr gilt es jetzt schnell und unbürokratisch aus den festgefahrenen Denkmustern der deutschen Kita- und Schullandschaft auszubrechen, innovative Ideen zuzulassen und mit Kreativität die Weichen dafür zu stellen, den steigenden Bedarfen unserer globalisierten Welt Stand zu halten.  


[1] https://www.sr.de/sr/home/nachrichten/politik_wirtschaft/kita_plaetze_ukrainische_kinder_saarland_100.html Stand 26.03.2022

[2] https://www.laendermonitor.de/fileadmin/files/laendermonitor/laenderprofile_2021/Laenderprofil_SL_2021.pdf Stand 26.03.2022

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